New York City Marathon 2016 – Erfahrungsbericht

von ANDRÉ AHLERS
DONNERSTAG, 26. JANUAR 2017

Das zweite Mal erst hatte ich mich Anfang 2016 über das Losverfahren für den New York City Marathon beworben. Umso erfreulicher die Nachricht, die ich im März per Email erhielt. “Ich bin dabei!” konnte ich meine Glück kaum fassen. Schließlich stehen die Chancen zur Teilnahme am New York Marathon deutlich schlechter als zum Beispiel beim Losverfahren in Berlin. Die garantierte Teilnahme über die Zeit ist für mich utopisch. Die geforderten 2:53:00 werde ich wahrscheinlich niemals erreichen. US Bürger können sich auch über 9 Teilnahmen bei Läufen der NYRR plus einer Helfertätigkeit bei einem weiteren Lauf qualifizieren. Mir blieb als nur das Losverfahren oder eine Charity, die sich aber immer etwas schwierig gestaltet. Reiseveranstalter bieten auch Startplätze an, binden einen oft an teure Flüge und Hotels. Flug und Hotel hab ich dann zeitnah selber für mich gebucht. Die Startgebühr selber liegt bei 358 Dollar. Wenn man das Hotelzimmer mit jemandem teilt, was mir leider nicht möglich war liegt man für 5 Nächte in New York inklusive Flug und Marathonteilnahme bei ca. 1200 bis 1500 Euro. Reiseveranstalter verlangen teilweise über 2000 Euro pro Person.

Die Nachricht, die jeder Bewerber gerne erhalten möchte.

Acht Monate später war es also soweit. Am Mittwoch den 02.11.16 ging früh morgens der Flug über London nach New York. Nachdem ich mich am Mittwoch erstmal etwas aklimatisiert hatte ging es bereits Donnerstag Vormittags zur Startnummerabholung ins Jacob K. Javits Convention Center zwischen 34. und 38. Straße West direkt am Hudson River. Zwar schreckten draußen einige schwer bewaffnete Soldaten ab, die Marathon Expo selbst war aber einfach zugänglich. Schon nach zwei Minuten hielt ich meine Startnummer in den Händen. Die freiwilligen Helfer vor Ort waren alle selber völlig euphorisch, sehr freundlich und zeigten ihren Respekt für alle, die sich den New York City Marathon vorgenommen hatten.

Davon können sich die Helfer in Berlin noch ne Scheibe abschneiden.

Die Expo selber war sehr übersichtlich aufgebaut und im Vergleich zu Veranstaltungen wie Berlin Marathon deutlich strukturierter und reduzierter, ohne dass man etwas vermissen würde. Laufausstatter, Marathonveranstalter, Sportlerernährung und einige mehr boten Gratisproben, Fotos, Sonderangebote, Personalisierung von Laufklamotten.

Ziel- und Nachzielbereich

Außerdem hat sich auch der New York City Marathon selber gut präsentiert. Start-, Strecken- und Ziel-informationen mehrsprachig auf einigen Plakaten und Bildschirmen und auch hier zusätzliche mehrere freiwillige Helfer, die voller Freunde dabei waren.

Ein weiteres Highlight war eine kleine Bühne auf der alle zwei Stunden ein paar Profis Tipps zur erfolgreichen Absolvierung des Marathons gaben. Vorbereitung, Herangehensweise, Verpflegungspunkte und knifflige Stellen auf der Strecke wurden angesprochen.

Streckenübersicht mit allen Verpflegungspunkten

Am Donnerstag Abend absolvierte ich meinen letzten Trainingslauf in South Manhattan und Brooklyn, der etwas länger ausfiel als geplant, allerdings im gemütlichen Tempo mit einigen Fotopausen. Danach hab ich mich die nächsten Tage nicht wirklich an Tipp der Profis gehalten, das Sightseeing erst nach dem Marathon zu machen und sich vorher nicht zu sehr New York zu Fuß zu entdecken.
Und plötzlich war es Samstag Abend – der Abend vor dem großen Tag. Mit den Nudeln der letzte Tage gestärkt wurden nun die Laufsachen für den nächsten Tage bereitgelegt. Ich hatte mir extra noch einen günstigen warmen Sportanzug von Kik zugelegt, den ich dann vor dem Start noch ablegen konnte. Schließlich hatte ich mich vorher schon entschieden einen wärmenden Zielponcho zu bekommen, anstatt meine Klamotten per UPS in den Zielbereich im Central Park transportieren zu lassen. Der Wecker wurde auf 5 Uhr gestellt, denn bereits um 6 Uhr ging meine Fähre von der Südspitze Manhattans nach Staten Island. Gerne hätte ich auch erst die Fähre um 7 Uhr genommen, allerdings war diese Option schon zu schnell vergriffen. Dazu kam noch, dass die Zeitumstellung in den USA erst eine Woche nach der europäischen Umstellung stattfindet, dadurch hatte ich dann zum Glück noch eine Stunde länger Schlaf.

Alle Sachen schon bereit gelegt.

Race day 5 Uhr, der Wecker klingelt und ich stehe auf, ziehe meine bereitgelegt Sachen an und gönne mir mein Frühstück bestehend aus zwei Donuts und einer Banane. Jeder der selber schon Marathon gelaufen ist, weiß wie früh das ist im Vergleich zu anderen Marathons, wo man gegen 9 Uhr startet und entsprechend für das Frühstück zwischen 6 und 7 Uhr aufsteht. Aber ich musste ja schließlich um 6 Uhr meine Fähre erreichen, die immerhin noch 2,5 km entfernt von meinem Hotel war. Also machte ich mich um 20 vor 6 gemütlich laufend auf den Weg zur Staten Island Ferry. Für den Weg hatte ich noch eine weitere Banane, einen Apfel und etwas zu trinken, schließlich war mein Start erst um 10:15 Uhr.

Am South Manhattan Staten Island Ferry Terminal

Blick auf die Skyline von Manhattan am Morgen

Etwas verspätet wegen dem großen Ansturm der Läufer startete die Fähre gegen 6:15 Uhr. An Bord tausende aufgeregte Läufer die ihrem wahrscheinlich größten Laufereignis des Jahres entgegen fieberten – egal ob erster, siebter oder fünfzigster Marathon, allen war die Aufregung anzumerken und man kam mit einigen anderen ins Gespräch. Von überall her waren sie angereist für dieses wahrscheinlich einmalige Erlebnis. Nach ca. 20 bis 25 min hatten wir den Terminal von Staten Island erreicht. Eine große Masse strömte zum Ausgang wo nach und nach Busse die Läufer einsammelten. Es ging etwas stockend, aber sehr geordnet und organisiert voran. Endlich hatte auch ich meinen Platz im Bus gefunden. Mittlerweile war ca. halb 8 und der Bus fuhr ab Richtung Startbereiche. Durch kleine New Yorker Vororte schlichen wir nach Fort Wadsworth nur wenige hundert Meter von der Verrazano-Narrows Bridge entfernt. Hier wurde wir von Hundertschaften der schwerbewaffneten Polizei und Army begrüßt, abgescannt und teilweise auch durchsucht. Dann war der Startbereich nicht mehr weit. Die Frauen Elite startete schon um 9:20 Uhr und die Männer dann um 9:50 Uhr gefolgt von der ersten Startwelle. Die Startwellen waren mehrfach gekennzeichnet. Bei mir war es Welle 2, blau, Block D. Jede Farbe hatte einen eigenen Startbereich und nach dem Start seine eigene Bahn, die unbedingt eingehalten werden muss. Freundliche Helfer zeigten jedem Teilnehmer den Weg in sein “Camp”, in dem jeweils zwei große Zelte standen, in denen man sich nochmal hinlegen konnte.

Nochmal hinlegen im Zelt

Hierfür hatte ich mir extra noch eine große Kartonpappe mitgenommen. 20 bis 30 min hatte ich mich in etwa abgelegt, an schlafen war jedoch kaum zu denken vor Nervosität, also hab ich mich noch etwas im Startbereich umgeschaut und etwas gesehen, was ich bisher von keinem anderen Marathon kannte – Startverpflegung. Tatsächlich gab es mehrere Stände mit allerlei keckeren Sachen wie Bananen, Äpfel, Bagels, Powerbars, Wasser, Tee; also alles was das Läuferherz begehrt. Ich habe mir noch einen Bagel und eine weitere Banane gegönnt und mich für das Rennen noch mit ein paar Powerbars eingedeckt. Dann machte ich mich auf dem Weg Richtung Startblöcke, um schonmal zu gucken, wo ich denn hin muss, auch wenn es immer noch 1 std bis zum meinem Start war. Die Startblöcke wurden nach und nach über Lautsprecher ausgerufen daher wusste ich, dass mir immer noch etwas Zeit blieb und es war auch erst 9:15 Uhr. Deshalb nutzte ich nochmal die Chance die Dixis aufzusuchen, denn auch hierfür muss man 10 bis 20 min bei der Masse an Läufern einplanen.
Dann wurde mein Startblock aufgerufen und ich war schon am Eingang positioniert. Die erste Welle war allerdings noch nicht weg also konnte wir erst kurz vor 10 in den Startblock, der sich blitzschnell füllte. Nun ging es voran, aber die Startlinie war noch nicht zu sehen. Die große Brücke verschwand hinter den Bäumen. Ich entledigte mich meines wärmenden Sportanzugs und machte mich noch etwas warm. Die Masse wurde nun in einer langen Schleife Richtung Startlinie gedrängt, über Lautsprecher tönte Musik und ich nutze die letzte Chance nochmal im Gebüsch zu verschwinden. Die Musik drehte auf, Gänsehaut und Partystimmung, die Brücke schien nun recht nah und dann der Startschuss. Ich näherte mich der Startlinie und hätte fast versäumt noch ein Foto zu machen.

Gleich geht’s los…

Auf der Verrazano-Narrows Bridge

Live tracking. Gerade gestartet…

Endlich ging es los und rein in die Masse. Einige feierten sich selbst und das Event mit Selfies und Anfeuerung, andere, wie auch ich, waren eher konzentriert. Schnell staute es sich auf der ersten Meile bergauf auf der Brücke und ich fing an die ersten links zu überholen, bergab waren es dann noch ein paar mehr. Die Ausfahrt nach Brooklyn Richtung Norden rückte näher, bisher gab es noch keine Zuschauer, denn die sind auf allen Brücken während des Marathons verboten. Plötzlich wurde es laut. Links und rechts Massen von Zuschauern und der erste Verpflegungsstand, die von jetzt an jede Meile kommen sollten. Bei mir lief es rund. Die Warnung der Profis von der Messe es nicht zu schnell angehen zu lassen, sobald es die Brücke runter und flach nach Brooklyn reingeht, hatte ich etwas ignoriert, aber es fühlte sich gut an.

Nach 8 Meilen (nicht ganz 13 km) dann die Zusammenführung aller Wellen, die Strecke wurde breiter und das Feld streckte sich etwas. Auf der rechten Seite fielen mir nun die ersten Dixis wieder auf und die Blase meldete sich leider auch langsam wieder. Eine Meile später nutzte ich die Chance für den Pit Stop. Der Zugang zu den Dixis war teilweise wie eine kleine Boxengasse gestaltet, dadurch hab ich nicht viel Zeit verloren und war schnell wieder auf der Strecke. Die Pace war immer noch gut. Mein Ziel den Marathon in knapp 3:30 zu finishen war durchaus realistisch. Mittlerweile war Brooklyn fast durchquert, Williamsburg und die erste Hälfte des Marathons lagen hinter mir. Über die etwas kleinere Pulaski Bridge rüber nach Queens.

Hier sollte ich mich aber nur kurz aufhalten, denn nach knapp 3 km kam die wahrscheinlich größte Hürde – die Queensboro Bridge. Hier zeigte sich dann wieder, dass sich das harte Training der letzten Monate ausgezahlt hatte. Eine Meile ging es bergauf und das spürte man in den Beinen. Jetzt merkte ich auch, dass wohl die meisten Charity-Läufer in den vorderen Startwellen positioniert wurden. Einige gingen bergauf mehr als dass sie noch liefen. Diese Brücke kurz bevor der berühmte Hammer kommen könnte ist auch echt eine Qual. Meine Pace ließ auch um ca. 20 sec auf den knapp 2 km nach. Der Scheitelpunkt der Brücke war erreicht und es ging langsam wieder bergab. Dann links die Ausfahrt zur 59. Straße. Immer steiler ging es die Rampe runter und in der Kurve wurde es auf einmal wieder richtig laut. Wir waren wieder in Manhattan und hier wurden die Läufer mal so richtig gefeiert. Zweimal links abgebogen und dann auf die 1st Avenue, hier ging die Party weiter. Auf beiden Seiten stan-den Menschenmengen die New York, den Marathon und die Läufer zelebrierten. Der nächste Verpflegungsstand kam mir gerade recht. Nachdem meine Powerballs vorher halbstündlich weniger geworden waren, gönnte ich nun bei km ca. km 27 ein Powergel und etwas Banane. Schließlich musste ich insgesamt fast 70 Blocks auf der 1st Avenue nach Norden zurück legen.
Für nur anderthalb Meilen (ca. 2,4 km) ging es dann durch die Bronx. Auch hier war die Stimmung einzigartig. Verschiedenste Bands heizten einem ein und einige Familien hatte es sich zur Aufgabe gemacht etwas extra Verpflegung für die Läufer bereit zu stellen.

Fast im Ziel…

Nach nur 12 Minuten war ich wieder in Manhattan. Harlem – noch 8 km und ich fing wieder an zu rechnen, ob die Pace ausreicht, um unter 3:30 Std zu finishen. Der Mann mit dem Hammer war nicht in Sicht, stattdessen fühlte sich die Beine gut an. Schokoriegel wurden mir von der Seite angeboten, aber ich lehnte ab. Etwas überra-schend dann nochmal ein starker Anstieg, danach war das Ziel ganz nahe. Rechts von mir der Central Park und nach 2 Meilen nach dem Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir der Schwenk in den Park auf den East Drive. Das Publikum war jetzt nochmal voll da. Applause und motivierenden Zurufe von allen Seiten. Das hat mir an-scheinend Flügel gegeben und ich konnte die Pace noch-mal steigern. Ecke 59. Straße und 5th Avenue führte die Strecke nun auf die letzte Meile entlang der 59. Straße direkt weiter am Central Park bis zum Columbus Circle. Dort wieder nach Norden in den Central Park – die letzen 600m. Noch einmal alle Kräfte mobilsiert und ein begei-stert Blick auf die Uhr. Dann war es geschafft. Im Ziel. New York City Marathon erfolgreich beendet – 3:26:43. Keine Bestzeit, aber durchaus passabel bei 300 Höhenmetern.

Zwischenzeiten und Ergebnis im Überblick

Erstmal mit anderen Läufern abklatschen und die Medaille in Empfang nehmen. Alles Sieger, alle die es geschafft haben. Dann Wasser, viel Wasser. Finisher-Fotos durften natürlich auch nicht fehlen. Noch schnell ein Zielverpflegungspaket abgegriffen; danach teilte sich dann der Weg. Wer seine Sachen vom Start zum Ziel per UPS hat transportieren lassen durfte noch ein paar hun-dert Meter geradeaus, um sie dort wieder in Empfang zu nehmen. Ich hatte mich bei der Anmeldung für einen Ziel-poncho entschieden, bog also entsprechend nach links ab und nach ca. 400m konnte ich diesen unter den Glück-wünschen der freiwilligen Helfer von selbigen entgegen nehmen. Nun begab ich über ein paar kleine Umwege wegen Straßensperrungen zur U-Bahn und fuhr wieder zurück ins Hotel, wo ich mir erstmal ein heißes Bad gönnte. Und langsam wurde es mir richtig bewusst: “Ich bin erfolgreich den New York City Marathon gelaufen.”
Für alle die jetzt noch überlegen müssen; es ist ein Erlebnis und schwer mit anderen Mara-thons zu vergleichen. Sicherlich nicht ganz günstig, aber jeden Cent wert. Wer hier mitläuft, sollte allerdings vorher auch mal ein paar Höhenmeter gemacht haben. Danke an alle die sich immer wieder zusammen mit mir quälen, mich immer weiter motivieren und natürlich an die Helfer des New York City Marathons und alle Zuschauer an der Strecke, die genau wie alle Läufer, großartiges leisten und diesen Marathon zu dem machen, was er ist.

Neben der Medaille ein weiterer Lohn für die Leistung

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